Hepkaale und das Erdbeben von Hutaam II

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Teil 1

Als sie die Augen wieder öffnete, stand sie auf einem Marktplatz in einem anderen Ort. Offensichtlich hatten sie hier das Erdbeben auch gespürt, denn mehrere Marktstände waren umgeworfen und ihre Waren über die nähere Umgebung verteilt. Aber das Erdbeben musste hier deutlich schwächer gewesen sein, denn die Häuser waren alle noch intakt.

Es konnte noch nicht lange her sein, denn die Händler hatten noch nicht damit angefangen, ihre Waren wieder aufzulesen. Aus den umliegenden Häusern kamen Menschen auf die Straße gelaufen. Hier war seit dem Erdbeben eindeutig weniger Zeit vergangen als in Hutaam. Hepkale war sich nicht sicher, ob sie ein kleines Stück in die Vergangenheit gereist war oder ob das an dem Erdbeben lag, das einfach eine Weile brauchte, um sich von einem Ort zu einem anderen auszubreiten. Aber letztlich war es auch egal, denn sie musste Hilfe für die Leute in Hutaam organisieren, sonst würde das Plot-Device sie nicht nach Hause schicken.

Sie fragte sich, warum um Himmels Willen sie sich von Sibüü schon wieder hatte breitschlagen lassen, das Plot-Device zu benutzen. Sie wusste doch nur zu gut, dass sie immer irgendwo landete, wo sie in Schwierigkeiten geriet. Wieder einmal nahm sie sich vor, sich das nächste Mal nicht so leicht überzeugen zu lassen. Aber jetzt musste sie, ob sie wollte oder nicht, Hilfe für Hutaam organisieren.

Die Menschen des Ortes liefen alle über den Marktplatz und wirkten wie ein aufgescheuchter Hühnerhaufen. Wahrscheinlich waren sie hier Erdbeben einfach nicht gewöhnt. Hepkaale war das zwar auch nicht, aber das Plot-Device schickte sie immer irgendwo hin, wo alles für sie neu war, deshalb war sie daran gewöhnt, mit unbekannten Situationen klarzukommen.

„Leute! Hört mir zu!“, rief sie und war überrascht, als sofort Ruhe einkehrte. „Das Erdbeben, das ihr eben erlebt habt, war nur klein verglichen mit dem, was die Leute in Hutaam erleben mussten. Die ganzen Häuser dort sind zusammen gestüzt und die Menschen dort liegen zum Teil noch unter den Trümmern und brauchen eure Hilfe.“

Als sie mit Reden geendet hatte, antworteten ihr die Leute, alle durcheinander:

„In Hutaam?“

„Hutaam ist doch fünf Tagesreisen von hier entfernt.“

„Woher weißt du das?“

Es gab noch zig Fragen mehr an sie, und manche der Menschen bezweifelten auch, ob sie wirklich aus Hutaam kam. Hepkaale hörte sich die Erwiederungen der Leute an und dann sagte sie:

„Ich bin Hepkaale aus Tirüplet. Ihr habt sicherlich schon von mir gehört. Und wenn wir uns nicht bald auf den Weg nach Hutaam machen, dann weiß ich nicht, ob dort noch jemand lebt.“

Ein Raunen ging durch die Menge, als Hepkaale ihren Namen sagte. Manche Leute glaubten ihr, andere standen nur mit offenem Mund da und wieder andere schüttelten den Kopf und bezweifelten, dass sie wirklich die Hepkaale aus den Geschichten war.

Hepkaale seufzte. Sie hatte wenig Lust, die Leute davon zu überzeugen, dass sie wirklich sie selber war und als echte Person existierte. Es war immer das Gleiche. Die Leute hielten sie für eine mythologische Figur und glaubten ihr nicht, ließen sich aber trotzdem immer gerne von ihr helfen. Nicht zum ersten Mal fragte sie sich, was sie persönlich eigentlich von dem Plot-Device hatte, außer einer Menge Ärger.

„Los, auf!“, rief sie den Leuten zu. „Macht euch auf den Weg, den Leuten in Hutaam zu helfen. Und wenn es fünf Tage dauert, bis ihr da seid, dann ist das so. Aber ihr seit die einzige Hoffnung für die Menschen dort.“ Sie überlegte kurz, ob sie den Leuten von Kaaleech erzählen sollte, ließ es dann aber sein.

„Wenn sie wirklich Hepkaale ist“, sagte ein Jugendlicher, „dann kann sie uns mit dem Plot-Device hinbringen, finde ich. Dann müssen wir nicht die ganze Strecke laufen.“

„Und wenn sie nicht die Wahrheit sagt“, wandte nun ein anderer ein, „dann wird auch nix passieren. Also lasst uns alles holen, was wir brauchen, um ein paar Leute aus ihren zusammengestürzten Häusern zu befreien.“

„Aber wer sagt uns denn, dass sie die Wahrheit sagt und es in Hutaam wirklich so ein Erdbeben gegeben hat?“

Wie um der Frau zu widersprechen, zitterte die Erde erneut, diesmal aber etwas schwächer als beim ersten Mal.

„Seht ihr! Das war das Zeichen, dass sie Recht hat.“

„Außerdem wird sie klein Plot-Device haben, wenn sie gelogen hat. Ihr wisst doch, wie es in den Geschichten immer funktioniert.“

Einige Leute entfernten sich und kamen kurz darauf mit Werkzeug und Seilen und allerlei Hilfsmitteln zurück. Auch zwei Smabären hatten sie dabei. Wenn man bedachte, wie gut Smabären darin waren, Geruchsspuren zu folgen, war es keine schlechte Idee, die mitzunehmen, um nach Verletzten zu suchen.

„So, Hepkaale“, sagt eine ältere Frau. „Jetzt kannst du dein Plot-Device aktivieren und uns alle nach Hutaam bringen.“

„Aber ihr wisst doch“, widersprach Hepkalle ihr, „dass mein Plot-Device so nicht funktioniert. Erst, wenn ich hier alles erledigt habe, was ich hier machen muss, kann ich von hier weg.“

„Aber was musst du denn noch machen, damit du uns nach Hutaam bringen sollte?“, fragte ein Mädchen ungeduldig.

„Woher soll ich das wissen?“, entgegnete Hepkaale genervt. „Ich weiß genauso wenig wie ihr, was das Plot-Device von mir will.“

“Vielleicht müssen wir uns alle festhalten“, schlug eine ältere Frau vor. „In den Geschichten über sie reisen doch auch nur die Leute, die sie gerade festhalten.“

Hepkaale war überrascht, wie schnell die Leute es hinbekamen, eine Kette mit ihr in der Mitte zu bilden. Mit einer Hand hielten sie jeweils ihr Werkzeug und mit der anderen den Vordermann fest. Doch auch als alle Leute sich fest hielten, passierte nichts.

„Vielleicht bist du gar nicht Hepkaale“, maulte ein älterer Mann. „Ich hab ja von Anfang an gesagt, dass du nicht die Echte bist.“

„Vielleicht seid ihr auch noch nicht wirklich bereit? Fehlt vielleicht noch irgendwer?“, spekulierte Hepkaale.

„Es ist offensichtlich, dass du nicht die echte Hepkaale bist, denn die gibt es ja nur in Geschichten.“

Jetzt wurde Hepkaale langsam sauer. „Wenn ihr mir nicht glauben wollt, dann lasst es eben und helft den Leuten in Hutaam nicht. Ich habe es versucht, euch hinzubringen, und wenn es nicht klappt, dann gehe ich eben zu Fuß zurück nach Tirüplet und das Plot-Device kann mir gestohlen bleiben.“

„Das wollten wir damit gar nicht andeuten“, erklärte ein Mädchen, dass die Hoffnung, die echte Hepkaale vor sich zu haben, noch nicht aufgegeben hatte. „Und schaut mal, da vorne kommt Akyraan angelaufen, wahrscheinlich sind wir noch hier, weil er gefehlt hat. Schnell, haltet euch wieder fest!“

Ein paar Leute grummelten weiter, doch als die anderen sie packten, machten sie mit. Und als Akyraan die Reihe erreicht hatte, ertönte wieder das Brummen und Summen des Plot-Devices.

Sibüü und Kaaleech standen auf einem der Trümmerhaufen und versuchten, die darunter begrabenen Leute zu befreien. Eine ältere Frau hatten sie schon ausgegraben. Sie saß auf der Straße und schaute abwesend über die Trümmer des Ortes.

„Hepkaale! Da seid ihr ja endlich. Ihr habt ja eine Ewigkeit gebraucht.“

Hepkaale zuckte mit den Schultern. „Du weißt doch, wie launisch das Plot-Device ist.“

Hepkaale kletterte zu ihrer Schwester, während die anderen Leute anfingen, die Überreste der Häuser systematisch nach Verletzten abzusuchen. Als Hepkaale Sibüü erreicht hatte und ihr die Hand auf die Schulter legte, brummte und summte es wieder und kurz darauf befanden sich die beiden Schwestern wieder in der heimischen Werkstatt.

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